Predigt vom 27. Dezember 2020

Predigt zum 1. Sonntag nach dem Christfest in der Johanneskirche Erlangen, 27.12.2020

Liebe Gemeinde,

den Predigttext haben wir vorhin bereits gehört, aber er wird uns in der Predigt immer wieder begegnen.

I.

Wenn wir die Evangelienberichte lesen, so erscheint es oft, dass die Ereignisse, die geschildert werden, sich gleichsam Schlag auf Schlag abspielen. In unserer Vorstellung rücken sie eng zusammen. Dass oft längere Zeiträume zwischen einzelnen Geschehnissen liegen, vergessen wir dabei.

Nach der Erzählung von der Geburt Jesu schildert der Evangelist Lukas zwei Feste, die ein jüdischer Junge auch heute noch feiert. Das erste Fest ist das der Beschneidung und Namensgebung acht Tage nach der Geburt. Mit diesem Fest wurde Jesus in das Volk Israel aufgenommen. Das zweite Fest ist das der Auslösung, 40 Tage nach der Geburt.

Dieses Fest beging allerdings nur der Erstgeborene einer Familie. Es erinnert noch – wie viele andere Feste des Judentums – an die Befreiung aus Ägypten und an die 40jährige Wüstenwanderung. Während die Erstgeburt der Ägypter geschlagen wurde, blieb die Erstgeburt der Juden verschont, das Volk durfte Ägypten verlassen.

Eigentlich wäre nun die Erstgeburt für den Dienst für Gott bestimmt gewesen, aber auf der Wüstenwanderung wurden die Angehörigen des Stammes Levi zu diesem Dienst ausgewählt – dem späteren Tempeldienst. Die Erstgeborenen mussten aber dennoch von diesem Dienst gleichsam freigekauft werden, sie wurden ausgelöst.

Da Bethlehem so nahe an Jerusalem liegt, vollzogen Maria und Josef diese Auslösung im Tempel. Das Opfer, das sie für Jesus darbringen, ist das Ersatzopfer für die wenig Begüterten. Wie schon bei seiner Geburt wird deutlich: Jesus gehört zu den Armen. Und er erfüllt das ganze Gesetz, er ist ganz Mensch.

II.

Nach diesem Opfer kommt es zu zwei Begegnungen, die die messianische Seite Jesu in das Zentrum rücken.

Lukas schildert:

Und siehe, ein Mensch war in Jerusalem mit Namen Simeon; und dieser Mensch war gerecht und gottesfürchtig und wartete auf den Trost Israels, und der Heilige Geist war auf ihm. Und ihm war vom Heiligen Geist geweissagt worden, er sollte den Tod nicht sehen, er habe denn zuvor den Christus des Herrn gesehen. Und er kam vom Geist geführt in den Tempel. Und als die Eltern das Kind Jesus in den Tempel brachten, um mit ihm zu tun, wie es Brauch ist nach dem Gesetz, da nahm er ihn auf seine Arme und lobte Gott.

Eine anrührende Szene: der knapp sechswöchige Jesus auf dem Arm des greisen Simeon.

Mit vielen anderen – und auch gegen viele andere – teilte er die Hoffnung auf die Verheißung des Messias. Er lebte in der Erwartung des Retters. Und er wusste: Die Erfüllung würde er noch persönlich miterleben. Wie oft wird er in den Tempel gegangen sein mit der Frage: Ist es heute soweit? Aber sicher gab es auch den Zweifel: War es nicht eine Selbsttäuschung? Hatte er sich verhört? Denn die Jahre vergehen und er wird immer älter. Ob ihm die Zeit zu lang wurde?

Mit seiner Geduld, seiner Hoffnung und lebendigen Erwartung beeindruckt Simeon. In seinem unerschütterlichen Gottvertrauen ist er vorbildlich. Gegen die Widerstände in seinem Inneren und die äußeren bleibt er geduldig. Dabei ist er nicht allein. Der Heilige Geist ist mit ihm, tröstet ihn, leitet ihn. Eigentlich eine kleine Pfingstgeschichte inmitten der Weihnachtszeit.

Und da sieht er sie, die kleine Familie, drei arme Menschen, Josef, Maria, das Kind. Tiefer sieht er als die vielen anderen; der äußere Schein lenkt ihn nicht ab. Er weiß nun: Dies ist der Heiland. Eine neue Zeit bricht nun an, die Zeit der Erfüllung hat begonnen.

 

III.

Darüber kann er Gott nur loben und preisen:

Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, das Heil, das du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht zur Erleuchtung der Heiden und zum Preis deines Volkes Israel.

Manches lässt sich nur im Lied ausdrücken. Bei Lukas ist es der vierte Lobgesang, der mit der Menschwerdung Gottes verbunden ist und alle vier Loblieder sind in das gottesdienstliche Leben der christlichen Gemeinde aufgenommen worden.

Wie ein tiefes, aber frohes Aufatmen – so wirkt der Beginn seines Liedes: Nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren. Simeon kann nun sterben, in Frieden sterben. Nun, da er den Heiland gesehen hat, kehrt Ruhe ein ins unruhige Herz. Sein Leben ist zu einem Abschluss gekommen.

Von seiner Person weg weiter er den Blick. In Jesus hat Gott das Heil der Völker bereitet. Bereitet – also mit viel Mühe und Phantasie gestaltet. Jesus ist gesandt zur Erleuchtung der Heiden, wie dies schon Jesaja prophezeite.

Für einen Juden wie Simeon sicher ein etwas ungewöhnlicher Gedanke, denn Heide, das war damals der ungeliebte Römer, der Besatzungssoldat, mit dem man selten gute Erfahrungen gemacht hat und von dem man sich möglichst fern hielt. Dass auch diesen das Heil gelten sollte, das war kein einfacher und schon gar nicht ein populärer Gedanke.

Bis heute hat sich daran nichts geändert. Dass Jesus das Heil aller Völker ist, damit tun sich viele in der Kirche schwer. Da heißt es eher, das Heil der Christen, das Heil der Getauften oder gar das Heil der Kirchensteuerzahler. Auf seltsame Weise wird christlicher Glaube exklusiv, und indem er die einen ausschließt, schließt er sich selber ein, und wird so zur austauschbaren Privatsache. Und da ist es einfach, Jesus als ein Heilsangebot – neben anderen – zu deuten. Aber das Heil aller?

Nein, Weihnachten meint es anders: Welt ging verloren (nicht nur das christliche Abendland), Christ ist geboren, der Retter ist da!

IV.

In den Worten, die Simeon dann persönlich an Maria richtet, wird dieser Gedanke noch vertieft:

Und sein Vater und seine Mutter wunderten sich über das, was von ihm gesagt wurde. Und Simeon segnete sie und sprach zu Maria, seiner Mutter: „Siehe, dieser ist dazu bestimmt, dass viele in Israel fallen und viele aufstehen, und ist bestimmt zu einem Zeichen, dem widersprochen wird – und auch durch deine Seele wird ein Schwert dringen –, damit aus vielen Herzen die Gedanken offenbar werden.“

An Jesus – an seinem Anspruch – scheiden sich die Geister. Nicht an einer Idee, nicht an seiner Botschaft, nicht an seinem Handeln, sondern an seiner Person kommt es zur Scheidung, zur Entscheidung. Jesus wird viele zum Stolpern bringen, sie stürzen: über ihre eigenen Gedankenkonstruktionen, über ihre festgefahrenen Meinungen und ihre Vorurteile. Paulus spricht später von Ärgernis und Torheit. Das war damals so und ist auch heute so. Simeon sieht, wie in diesem Kind eine ganz neue Zeit anbricht.

Eine Gotteszeit, eine Zeit, wo Gott nicht eine ferne Idee ist, sondern mitten unter uns als Mensch wie wir lebt. In diesem Kind wird das sichtbar und fassbar. Simeon erkennt: Dieses Kind ist ein Zeichen Gottes aus der Ewigkeit.

Die Welt wird sich äußerlich nicht sehr verändern. Es wird weiter viel Unrecht geben, Streit und Kriege und Krankheit. Aber das Zeichen für das Neue ist schon da. Dieses Kind wird heilen, Schuld vergeben, Frieden stiften, Trauernde trösten und den Weg zum Vater öffnen – für jeden, der sich auf ihn einlässt. Ein großer Anspruch!

Selbst Maria, die hier in prophetischer Weise auf ihr Schicksal vorbereitet wird, wird nicht frei sein von Ärgernissen. Wenn Jesus die Menschen, die auf sein Wort hören, seiner eigenen Familie in Nazareth vorzieht und Jesus seine Jünger als seine wahre Familie bezeichnet, so ist dies sicher schwer zu begreifen.

Den größten Schmerz wird Maria aber unter dem Kreuz erleben. Schon hier – inmitten von Weihnachten – wird der Blick auf das Kreuz gelenkt.

V.

Nach jüdischer Vorstellung sind zwei Zeugen notwendig, damit eine Aussage als wahr angesehen wird. Zu der kleinen Menschengruppe gesellt sich nun noch eine weitere Person als Zeugin der Messianität Jesu:

Und es war eine Prophetin, Hanna, eine Tochter Phanuëls, aus dem Stamm Asser. Sie war hochbetagt. Nach ihrer Jungfrauschaft hatte sie sieben Jahre mit ihrem Mann gelebt und war nun eine Witwe von vierundachtzig Jahren; die wich nicht vom Tempel und diente Gott mit Fasten und Beten Tag und Nacht. Die trat auch hinzu zu derselben Stunde und pries Gott und redete von ihm zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten.

In den Augen ihrer Zeitgenossen stand Hanna auf der Schattenseite des Lebens. Als wohl kinderlose Witwe gehörte sie zu den armen und bedauernswerten Menschen. In ihrer Gottesfurcht gleicht sie Simeon und wird der Zeugenschaft gewürdigt. Auch sie darf tiefer schauen als die vielen anderen im Tempel. Von Hannas Lobpreis erfahren wir zwar nichts, aber so wie die Hirten kann auch sie nicht schweigen von dem, was sie erfahren hat: der Erlöser ist da.

Ich denke es muss für Josef und Maria ein besonderes Erlebnis gewesen sein, diesen beiden Alten begegnet zu sein. Zwei Menschen, die einfach und klar von ihrem Glauben und ihren Erfahrungen mit Gott reden: Von ihrer Zuversicht und dem Trost der daraus erwächst, ein Glaube der durch das Leben trägt, ganz gleich, was geschieht und auch in Sterben und Tod Bestand hat. Ein Glaube der Geduld lehrt und warten können – weil er alles von Gott erhofft. Ein Glaube, der hinweist auf ihn, dessen Geburt wir feiern und der das Heil der einen Welt ist.

Amen.

Lektor Dr. A. Mattejat
nach einer Vorlage des Gottesdienst-Instituts von
Prädikant Michael Dittmann
Weitersdorfer Weg 26, 90547 Stein
michael-dittmann [klammeraffe] t-online [punkt] de

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