Predigt vom 7. April 2023 Karfreitag

7. April 2023, Karfreitag     Predigt Kolosser 1, 13-20

in der Johanneskirche Erlangen

 

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.

Amen.

 

Liebe Gemeinde,

I

Karfreitag – Trauertag…

„O Haupt voll Blut und Wunden“, haben wir gesungen,

„voll Schmerz und voller Hohn…“

In der Lesung hörten wir von Jesu Leidensweg.

Das Bild von Golgatha steht uns vor Augen:

das Kreuz auf Jesu Schulter,

das Streitgespräch um die Aufschrift am Kreuz,

das Los-Werfen um den Rock Jesu,

die Szene mit den Frauen am Kreuz,
dabei Jesu Mutter und der Jünger, den Jesus liebhatte,

der Essigschwamm als letzter Liebesdienst für Jesus,

bevor dieser das Haupt neigte und verschied…

Karfreitag – Jesu Todestag…

 

II

Unser Predigttext blickt ganz anders auf diesen Tag und Jesu Passion.

Er steht im Brief an die Kolosser,
geschrieben etwa 70 n. Chr.

Die frühen christlichen Gemeinden litten damals unter der römischen Herrschaft,
unter Verfolgung und Todesstrafen.

Auch Paulus wurde 60 n. Chr. hingerichtet.

Neue Heilslehren, heute zusammengefasst unter dem Begriff der Gnosis, breiteten sich aus.

Sie drohten mit finsteren Engelsmächten, denen die Menschen ausgeliefert seien.

Daseinsangst erfasste viele Menschen in den Gemeinden,

auch die Gemeinde in Kolossä in Anatolien, heute Honaz
(in jener Zeit war sie von einem Erdbeben heimgesucht worden).

Der Brief an die Kolosser ist geschrieben in der Tradition des Paulus,

wenn auch mit eigenen Akzenten:

(Ich lese aus dem Kolosserbrief 1, 13-20 in zwei Etappen)

 

(Mit Freuden 12 sagt Dank dem Vater, …..)
13 Er hat uns errettet aus der Macht der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines geliebten Sohnes, 14 in dem wir die Erlösung haben, nämlich die Vergebung der Sünden.

 

Sagt Dank dem Vater … Er hat uns errettet aus der Macht der Finsternis.

Der Brief schreibt an
gegen die Unterdrückung durch die römischen Besatzer,
gegen die Angst vor den gnostischen Dämonen…

Heute lesen wir ihn auch als Botschaft gegen unsere Ängste,

gegen die belastenden Bilder und Nachrichten in unseren Tagen,

das Leiden in Wohnungen, Krankenhäusern, Schützengräben, zerbombten oder verschütteten Städten, Flüchtlingslagern,

Wir lesen die Botschaft gegen Wunden, die Menschen anderen Menschen und der Erde schlagen,

gegen die Kreuze, die wir alle so mit uns herumtragen.

Sagt Dank dem Vater … Er hat uns errettet aus der Macht der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines geliebten Sohnes, in dem wir die Erlösung haben.

Das ist eine starke Botschaft am Karfreitag,

am Tiefpunkt von Leiden und Sterben Jesu, hinabgestiegen in das Reich des Todes….

Aber das Reich Jesu Christi steht über der Macht der Finsternis, erlöst uns von allen finsteren Mächten.

Der auferstandene Jesus sagt es selbst: (Matth. 28, 18) Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.

 

III

Und ganz in dem Sinne zitiert der Kolosserbrief ein Lied,
wie es die frühen Christen schon gesungen haben,
einen Christushymnus.

(Kolosserbrief)

15 Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes,
der Erstgeborene vor aller Schöpfung.
16 Denn in ihm wurde alles geschaffen,
was im Himmel und auf Erden ist,
das Sichtbare und das Unsichtbare,
es seien Throne oder Herrschaften
oder Mächte oder Gewalten;
es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen.
17 Und er ist vor allem,
und es besteht alles in ihm.
18 Und er ist das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde.

 

Er ist der Anfang,
der Erstgeborene von den Toten,
auf dass er in allem der Erste sei.
19 Denn es hat Gott gefallen,
alle Fülle in ihm wohnen zu lassen
20 und durch ihn alles zu versöhnen zu ihm hin,
es sei auf Erden oder im Himmel,
indem er Frieden machte durch sein Blut am Kreuz.

 

Ein Loblied auf Jesus Christus,

ein Bekenntnislied
für die bedrängten und zweifelnden Christen im 1. Jh.

für uns Bedrängte und Zweifelnde bis heute.

Am Karfreitag öffnet es einen anderen Blick auf Jesu Leiden und Sterben - vom Himmel her.

Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes.

Das griechische Wort für Ebenbild ist unser Wort „Ikone“.

Eine Ikone, wir kennen sie aus orthodoxen Kirchen,

verweist immer auf eine dahinterliegende Wirklichkeit.

Diese Wirklichkeit scheint nach vorne durch,

lässt etwas vom anderen, vom Größeren erahnen.

Wer mich sieht, der sieht den Vater,
sagt Jesus im Johannesevangelium (14).

 

Christus ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes,

der Erstgeborene vor aller Schöpfung.

Der Christushymnus feiert den Pantokrator,
den Weltenherrscher:

In ihm und durch ihn und zu ihm wurde alles geschaffen,

und es besteht alles in ihm,

das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Mächte oder Gewalten.

So klingt es im Christushymnus.

Alle Dimensionen kommen in den Blick,

gleichsam der ganze Kosmos.

Groß und unbegreiflich ist die Schöpfung,

Groß und unbegreiflich ist Gott, und unsichtbar.

In seinem Ebenbild ist er zu erkennen,
in Jesus Christus -

wie in einer Ikone, Christus als der Weltenherrscher.

 

IV

Aber wo ist die Dornenkrone?

Wo ist das „Haupt voll Blut und Wunden, voll Spott und voller Hohn“?

Wo ist das Leiden der ganzen Welt, wo sind die Wunden,
wo unsere Kreuze?

Erst am Ende hören wir davon:

Es hat Gott gefallen,
alle Fülle in ihm
– Christus -wohnen zu lassen
und durch ihn alles zu versöhnen zu ihm hin,
indem er Frieden machte durch sein Blut am Kreuz.

Zur Fülle in Christus gehört auch das Leiden,
gehören die Wunden an Händen und Füßen,
der Stich in die Seite…

Gerade durch Jesu Leiden und seinen Tod am Kreuz

ist im Reich Jesu Christi Fülle und Versöhnung und Frieden.

Auch im gekreuzigten Jesus, auch am Karfreitag ist Gott zu erkennen,
Mensch geworden und uns in unserem Leiden und Sterben ganz nah.

 

Er ist der Anfang, der Erstgeborene von den Toten, auf dass er in allem der Erste sei.

Hoffnung am Tag der größten Trauer:

Der erstauferstandene Jesus wird uns alle aus dem Reich des Todes in sein ewiges Reich führen.

Und er ist das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde.

Also unser Haupt, unser Herr.

Wir sind die Glieder,
wir alle gehören zur Gemeinde.

Heute trauern wir um ihn, danken ihm, bitten ihn und vertrauen ihm unser Leben an.

Christi Leib für uns gegeben,

damit wir die Erlösung haben, nämlich die Vergebung der Sünden -
und die Versöhnung und den Frieden.

 

V

Versöhnung und Frieden – das sind Sehnsuchtswörter,

sie werden heute fast inflationär gebraucht,

von allen Seiten für sich reklamiert, schillernd in ihrer Bedeutung.

Wie Versöhnung und Frieden in dem schrecklichen Krieg,

der mitten in Europa vom Zaum gebrochen wurde,

aussehen werden…

darauf gibt es keine schnelle Antwort, auch nicht in unserem Hymnus.

Es gibt Versöhnungszeichen im Kleinen:

In unseren Gemeinden in Alterlangen kümmern sich seit langem
Menschen um Flüchtlinge –
sei es aus Afghanistan, Syrien, Irak oder aus der Ukraine –

sie sorgen täglich für sie über Wochen und Monate,
ohne dass viel Aufhebens davon gemacht wird.

Das ist ein Stück Versöhnung und Frieden, wie Jesus sie uns vorlebt.

Bei Jesu Gefangennahme schlägt einer der Jünger einem Knecht des Hohenpriesters ein Ohr ab.

Lukas berichtet, wie Jesus eingreift:

Lasst ab! Nicht weiter! Und er rührte sein Ohr an und heilte ihn. (Lukas 22, 50f)

… indem er Frieden machte durch sein Blut am Kreuz.

Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt.

So sagt Jesus in einer seiner Abschiedsreden im Johannesevangelium. (Joh. 14, 27)

Friede sei mit euch, sagt der auferstandene Christus, als er sich seinen Jüngern zeigt.

Das ist der Frieden im Reich seines geliebten Sohnes.

Der Friede, der uns im Abendmahl mit dem Friedensgruß zugesprochen wird.

 

VI

Jesus Christus, „Haupt voll Blut und Wunden“,

Ebenbild des unsichtbaren Gottes –

Herr der Schöpfung, Herr der Welt, Herr aller Herren,

Herr der Gemeinde,

Herr über den Tod,

Versöhner und Friedensstifter. -

Wenn wir jetzt Abendmahl feiern,

gebe Gott, dass wir im Beten und im Singen,
in Brot und Wein und im Friedensgruß

Jesus Christus, seinen Tod und seine Auferstehung,
das Geheimnis des Glaubens
erleben und schmecken.

Er ist der Anfang,
der Erstgeborene von den Toten,
auf dass er in allem der Erste sei.
19 Denn es hat Gott gefallen,
alle Fülle in ihm wohnen zu lassen
20 und durch ihn alles zu versöhnen zu ihm hin,
es sei auf Erden oder im Himmel,
indem er Frieden machte durch sein Blut am Kreuz.

Amen

 

Und der Friede Gottes und der Friede Jesu Christi, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsre Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.

                                               Prädikantin Friedegard Brohm-Gedeon

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