Predigt vom 03. Mai 2020

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und unserem Herrn Jesus Christus.

Liebe Gemeinde!

Der Predigttext für den dritten Sonntag nach Ostern mit dem schönen Namen Jubilate steht im Johannesevangelium im 15. Kapitel.

 Christus spricht: 1 Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater der Weingärtner. 2 Eine jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, nimmt er weg; und eine jede, die Frucht bringt, reinigt er, dass sie mehr Frucht bringe. 3 Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe. 4 Bleibt in mir und ich in euch. Wie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht an mir bleibt. 5 Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun. 6 Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt die Reben und wirft sie ins Feuer, und sie verbrennen. 7 Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren. 8 Darin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und werdet meine Jünger.  

Meine Heimatstadt Potsdam ist kein guter Ort für Wein. Aber Friedrich der Zweite, der alte Fritz, hatte es sich in den Kopf gesetzt, sein Schloss Sanssouci  über einem Weinberg zu errichten, den er terrassenförmig anlegen ließ. Und die Pflanzen konnten bei Bedarf mit Fensterflügeln vor der Kälte geschützt werden. Ob er da jemals guten Wein ernten konnte, weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass so ein Weinberg für mich mit einer großen Sehnsucht verbunden war. Ach, einmal durch einen Weinberg streifen können und rechts und links von den süßen Trauben naschen. Das wäre auch heute noch eine große Lust. Und es drängt sich geradezu auf als ein Bild für größte Lebensfreude, für erfülltes, glückliches Leben.

Wenn ich Jesu Worte höre, stellt sich so ein Bild ein. Vielleicht kein ganzer Weinberg, aber doch ein Weinstock mit kräftigen Reben, grünem Laub und vollen, reifen Früchten. Da fällt es leicht, dem Imperativ dieses Sonntags Jubilate nachzukommen, der seinen Namen aus Psalm 66 hat: Jauchzet Gott alle Lande… Sprecht zu Gott: Wie wunderbar sind deine Werke!

Gibt es nicht genug Grund zur Freude und zum Lob Gottes? Die aufblühende Natur im Frühling, der Gesang der Vögel oder die Sonne, die uns im April so verwöhnt hat. Doch Halt - brauchen wir nicht viel nötiger den Regen?

Wir dürfen Gott dafür danken, dass wir bisher in unserem Land so gut durch die Corona-Krise gekommen sind, dass unsere Krankenhäuser nicht überfüllt sind und Menschen vielfältig Unterstützung bekommen. Doch Halt - die schlimmen Bilder aus Italien oder den griechischen Flüchtlingslagern kann ich nicht verdrängen. So, wie mich die Welt anschaut, ist wohl immer Grund zu Lob und Klage.

Jesu Worte sind nicht etwa dem Erntedankfest zugeordnet, wenn die reifen Trauben vor dem Altar liegen. Wir hören sie in der Osterzeit. Noch vor wenigen Wochen am Ausgang des Winters war der Weinstock wie tot. Die alten Reben des Vorjahres werden um diese Zeit entfernt. Nur zwei kräftige bleiben stehen und werden seitlich abgebunden, als breite jemand die Arme aus… Aus ihnen werden einmal die fruchtbringenden neuen Reben austreiben. Vielleicht müssen wir uns den Weinstock, von dem Jesus spricht, zunächst genau so vorstellen. Da sind die Früchte noch ganz weit weg. Da sind sie Verheißung für die, denen ihr Tun vergeblich erscheint und die Gottes freundliches Angesicht über ihrem Leben nicht mehr erkennen können.

Es ist schon ein Wunder, dass jetzt nach Ostern das tote Holz wieder ausgetrieben hat. Wir haben auch einen kleinen Weinstock. Er hat keinen guten Platz, und er ist auch nicht besonders fachmännisch erzogen. Aber dieses Wunder lässt sich trotzdem bestaunen. Eine Handbreit sind die Reben jetzt schon gewachsen, und sogar erste Fruchtansätze sind zu sehen. Schwer vorstellbar, dass diese zarten Zweige einmal die schweren Trauben tragen können. Und doch gilt ihnen die Zusage:  Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht.

Haben wir denn eine Wahl? Könnten wir je etwas anderes wollen, als bei ihm zu bleiben, dem Weinstock? Wenn wir einmal seine österliche, die Todesstarre besiegende Kraft erfahren haben, wenn wir schon wissen, wie süß die Trauben schmecken oder gar mit einem Glas Wein auf den Geschmack purer Lebensfreude gekommen sind, dann gibt es für uns keinen anderen Lebensort als diesen. Ohne den Weinstock können die Reben ja keine Frucht hervorbringen und sind wertlos.

An dieser Stelle stolpern wir immer über die Frage, was ist mit den Menschen anderer Religionen, denen Christus nicht der Weg zu Gott ist? Sind sie auf Irrwegen unterwegs, die nie zum Ziel führen?  Wir müssen uns klarmachen, dass es Jesus in seinen Worten niemals um das Verhältnis verschiedener Religionen ging. Jesus ging es um die Menschen, die durch ihn Gottes liebevolles Angesicht gefunden hatten. Die wollte er bestärken, diesen Weg weiter zu gehen. Die wollte er trösten in ihrem Zweifel. Je deutlicher wir in ihm, Jesus Christus, die Liebe des Vaters erkennen, desto größer wird unser Vertrauen, dass Gott für alle Menschen einen Weg hat.

Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun. Fett gedruckt springen diese Sätze in der Luther-Bibel ins Auge. Wie hören wir sie? Als Mahnung oder Zuspruch? Dass wir ohne ihn nichts tun können, leuchtet schon vom Bild her unmittelbar ein. Ohne den Weinstock kann die Rebe keine Frucht bringen. Und darum ist vor allem immer das herausgehört worden: Ihr müsst in ihm bleiben!

Doch Jesu Wort ist auch Zuspruch und Versprechen: Ich bleibe bei euch. Ich lasse euch nicht los. Und darum werdet ihr auch Frucht bringen; denn: Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe.

Welche Worte haben wir gehört? Worte, die uns nicht mehr loslassen? (Und ich denke da an die ganze Bibel.) Durch welche Worte hat er uns getröstet und festgehalten, auch wenn wir vielleicht loslassen wollten?

Wenn der Sommer schon fortgeschritten ist, werden die Reben noch einmal oberhalb der Frucht beschnitten. Sie dürfen nicht endlos weiter wachsen, sondern die Kraft des Weinstocks soll den Früchten zugutekommen. Dieser Schnitt ist schmerzhaft. So viel Lebenskraft steckt in dem, was verworfen wird. Erst im Herbst, wenn die Trauben reif und süß sind, wird sich zeigen, dass dieser harte Schnitt nicht vergeblich war; wie so mancher Umweg in unserem Leben.

Als Mahnung schauen wir das Bild vom Weinstock von der Früchten her an: Frucht kann es nur geben, wenn die Reben am Weinstock sind. Das ist einleuchtend. Es lohnt sich aber, das Bild auch in der anderen Richtung zu betrachten: Da ist der Winzer, der alles tut für die Pflege des Weinstocks, damit Reben wachsen können und Trauben zur Ernte reif werden.

Gottes Wirken wird nicht vergeblich sein. Im Namen Jesu wird es Früchte geben.  Auch wenn wir sie hervorbringen mit kleinen, unsicheren Schritten. Auch wenn wir an ihrer Qualität zweifeln; Gott wird sie heiligen und würdigen. Denn auf diese Früchte ist sein Wirken gerichtet; nicht nur darauf, dass wir  etwas „sind“, sondern dass wir etwas tun in dieser Welt voll Ratlosigkeit und damit Gottes Frieden und Gerechtigkeit bezeugen.

Den Wochenspruch für die kommende Woche möchte ich ihnen ans Herz legen: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden (2.Kor 5,17).

Solche Früchte gehören zu Gottes neuer Welt. Sie wecken die Hoffnung darauf. Sie widersprechen der Ratlosigkeit und Resignation, und sieschmecken süßer als der Wein von Sanssouci. Und auch wenn wir noch viele Fragen haben; wo wir sie kosten dürfen, können wir schon einstimmen in das Lob Gottes, das uns der Sonntag Jubilate aufträgt: Jauchzet Gott alle Lande!

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herren.

Amen

Cyriakus Alpermann

 

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