Predigt vom 14. Juni 2020

Predigt zu Apostelgeschichte 4, 32 - 37

Predigtabschnitt aus Apostelgeschichte 4, 32 - 37 Über die

Zeit der Apostelinnen und Apostel

32Die Menge der zum Glauben Gekommenen war ein Herz und eine Seele und niemand sagte von irgendetwas, das er oder sie besaß, dass es Privateigentum sei, sondern sie teilten alles, was sie hatten.
33Mit großer Macht legten die Apostel Zeugnis ab von der Auferstehung Jesu, des Herrn; und großes Wohlwollen lag auf ihnen allen.
34Es litt doch auch niemand Mangel unter ihnen. Alle nämlich, die Grundstücke oder Häuser besaßen, verkauften sie, brachten die Verkaufserlöse herbei 35und legten sie den Aposteln zu Füßen. Es wurde einzeln zugeteilt, je nachdem jemand Not litt. 36Josef, der von den Aposteln den Beinamen Barnabas bekommen hatte, was übersetzt Sohn des Trostes‹ heißt, ein Levit aus einer zypriotischen Familie,
37besaß einen Acker, verkaufte ihn, brachte das Geld und legte es den Aposteln zu Füßen.
(aus: Bibel in gerechter Sprache © 2006)

Gott, du bist Quelle unseres Lebens. Segne du nun Reden und Hören. Amen

Liebe Gemeinde,

ein Herz und eine Seele? Alles Geld und allen Besitz teilen? – Fragen rund ums Geld werden auch bei uns inzwischen wichtiger. Erlauben Sie mir einen Rückblick:

Mitte März wurde vielen von uns deutlich, wie dramatisch die Lage ist oder werden kann. Mit Entsetzen haben wir die Entwicklung in Italien verfolgt im Fernsehen, im Rundfunk, im Internet. Die rasante Ausbreitung des Virus. Die vielen Toten. Bald schon machten Überlegungen die Runde: Ein großes Fußballspiel in Bergamo war wohl zu einem dramatischen Ansteckungsherd geworden. Skifahren in Ischgl. Ein Starkbierfest in Mitterteich. Der Fasching in Heinsberg. Fröhliche Großveranstaltungen waren zum idealen Übertragungsweg für das Virus geworden.

So hart es ist: Wir in Deutschland hatten das unverdiente Glück, dass wir nicht das erste europäische Land waren. Die Verantwortlichen bei uns konnten lernen an den Erfahrungen an dem, was in Italien und Spanien abgelaufen ist. Und wir, die Bevölkerung, waren wegen der erschreckenden Bilder aus Italien ziemlich schnell mit im Boot. Wir haben uns gefügt den Ausgangsbeschränkungen, den Regelungen, dem abrupten Abbruch des Lebens, wie wir es bis dahin kannten.

Liebe Gemeinde, ich arbeite nach vielen Jahren in einer Kirchengemeinde jetzt in stationären Einrichtungen der Diakonie am Ohmplatz und in der Diakonie Sophienstraße. Viele der alten Menschen dort waren nicht so erschüttert wie wir jungen, denn sie hatten im Krieg und Vertreibung schon extreme Situationen erlebt. Manche konnten zurückgreifen auf die Erfahrung: Ich habe das damals geschafft, und wir werden das auch jetzt schaffen.

Corona. Bald schon wurde deutlich: Es geht nicht nur um das Retten von Menschenleben. Es geht nicht nur darum, die Ansteckungskurve flach zu halten, damit das Gesundheitssystem nicht überlastet wird.

Sondern: Es geht auch ums Geld. Und woher es kommt. Viele, viele Angestellte wurden in Kurzarbeit geschickt. Von heute auf morgen wurde das Haushaltseinkommen deutlich geringer. Bei denen, die vorher knapp dran waren, wird das schnell bedrohlich. Andere können vielleicht ihre Kreditraten nicht mehr zahlen. Noch nie hat es so viele Menschen in Kurzarbeit gegeben in Deutschland wie jetzt.

Schlimmer noch trifft es die, denen gekündigt wurde. Deren Arbeitsplätze ganz wegfallen. Oder die jeden Tag bange in die Arbeit gehen, weil ihre Firma auf dramatische Umsatzrückgänge reagieren muss. Es ist noch nicht absehbar, wie viele Firmen und Geschäfte werden aufgeben müssen. Selbst Arztpraxen auf dem Land mussten für ihre Angestellten Kurzarbeit einführen, weil sich kaum noch jemand in die Praxis getraut hat.

Tja, und solche wie ich sind davon nicht betroffen. Das ist mir mit Beschämung deutlich geworden. Wir Pfarrer*innen und die Beamt*innen bekommen eine feste Besoldung. Es wird auch in den Kirchen harte Einschnitte geben, das zeichnet sich jetzt schon ab, denn das Kirchensteuereinkommen wird dramatisch zurückgehen. Aber die Kürzungen werden nicht einzelne betreffen, sondern alle Pfarrer*innen und alle kirchlichen Berufsgruppen. Da wird noch Vieles zu verhandeln sein.

Wie aus einer anderen Welt klingen da die Worte aus der Apostelgeschichte, die uns für heute aufgetragen sind:

            (vorlesen aus BigS)

Alle waren ein Herz und eine Seele.

Alle in den ersten christlichen Gemeinschaften teilten alles, was sie besaßen.

Es ist umstritten, ob das historisch tatsächlich so war. Also ob es tatsächlich eine Zeit gab, in der dieses Ideal wirklich gelebt und umgesetzt wurde. Ohne dass es einen Gruppendruck in diese Richtung gegeben hätte.

Jedenfalls ist es mit dieser ungebrochenen Einmütigkeit, alles zu teilen und keinen privaten Besitz zu haben, gleich wieder vorbei.

Direkt nach unserem Abschnitt berichtet Lukas von dem Ehepaar Hananias und Saphira. Die beiden verkaufen ihren Acker, aber sie bringen nur einen Teil des Geldes zu den Aposteln. Petrus aber spricht einzeln mit den beiden und sagt ihnen auf den Kopf zu, dass sie „nicht Menschen, sondern Gott belogen“ haben. Darauf fallen sie tot um und werden begraben. Lukas benennt die Folgen in der Gemeinde: „Und es kam eine große Furcht über die Gemeinde und über alle, die es hörten.“ (V 5b und 11)

So ganz freiwillig würde ich das nicht mehr nennen. Wer sich fürchtet, teilt nicht mehr freiwillig.

Und dennoch bleibt unser Predigtabschnitt ein unangenehmer Stachel und eine Anfrage bis heute:

Wie haltet ihr es mit dem Geld?

Wofür gebt ihr Christinnen und Christen euer Geld aus, als Einzelne und als Gemeinden und als Kirche?

Seid ihr „ein Herz und eine Seele“?

Darauf kann ich nur klar mit Nein antworten. Ja, ich gehe noch weiter: Ich möchte es so haben und halte es für richtig, dass wir uns auseinandersetzen müssen und immer wieder darum ringen in den Gemeinden. Ich kann es mir nicht als gut vorstellen, dass alle ein Herz und eine Seele sind. So anstrengend es ist, nach Kompromissen zu suchen: es sollen doch alle vorkommen. Es soll eine gemeinsame Linie in der Gemeinde entstehen. Dafür braucht es Auseinandersetzung.

Es versteht sich nicht von selbst, wie wir, die wir nach Gott suchen und von Ihm gerufen sind, wie wir mit Geld umgehen.

Die jungen christlichen Gemeinschaften vor knapp 2000 Jahren haben das in der einen oder anderen Weise umzusetzen versucht, aber es war schwer. Zu schwer. Ein Kollege von mir schreibt, dass der Verzicht auf Privateigentum bald an die Klöster delegiert wurde. Armut, Ehelosigkeit, Gehorsam sollten die Nonnen und Mönche leben. Armut, das heißt: Kein privater Besitz. Und wenn jemand etwas von seiner Herkunftsfamilie mitbrachte oder erbte, ging das in den Besitz des Ordens über.

Aber auch in den Klöstern blieb das ein schwierig zu lebendes Ideal. Durch Erbschaften wurden manche Klöster reich und reicher. Wie sollte man damit umgehen?

Ich habe mich eine Weile sehr mit Theresa von Avila beschäftigt. Sie hat 1515 bis 1582 in Spanien gelebt. Sie entstammte einer kinderreichen, einer frauenreichen Familie und wurde wie viele junge Frauen ins Kloster gebracht und wechselte in ein anderes Kloster Santa Maria de la Encarnacion in Avila. Teresa fällt mir zu unserem Thema Geld und Glauben ein: Bei den Karmelitinnen in ihrem Kloster gab es zwar keinen Privatbesitz, aber je nach Herkunft hatten die Schwestern einen oder mehrere Räume, manche hatten Dienerinnen und besonders gutes Essen, das ihnen von außen gebracht wurde.

Teresa de Jesus, wie sie sich nannte, aber suchte mit großer Dringlichkeit nach Gott und lehnte alle Ablenkung durch Besitz ab. Sie gründete nach einer Weile einen eigenen Zweig ihres Ordens, die nannten sich die „Unbeschuhten Karmelitinnen“. Teresa, die eine große Mystikerin war und Jesus als Freund und Heil sah, musste erleben, dass unter den Unbeschuhten eine Gruppe entstand, die mit harten Bußübungen Gott zu erlangen suchten. Teresa aber wirkte durch weitgerühmte Sanftmut. Es ist die Zeit der kirchlichen Reformbewegungen in ganz Europa. Die Unbeschuhten Karmelitinnen der Teresa von Avila sind ein Versuch, unter Verzicht auf Reichtum nicht nur der Einzelnen, sondern auch der Glaubensgemeinschaft den Willen Jesu zu leben.

Alles hat mehrere Seiten.

Der Evangelisch-Lutherischen Kirche ist Bayern ist, wie vielen anderen auch, vorgeworfen worden, dass sie zu viel Besitz ihr eigen nenne.

Aber jetzt in Corona-Zeiten war es möglich, dass unsere Kirche in großem Umfang Hilfsprogramme gestartet hat, etwa um Jugendhäuser zu retten und um Obdachlosenprojekte zu unterstützen. Auch weitreichende Hilfen in unsere Partnerkirchen.

Glauben und Geld. Der Predigtabschnitt bleibt wie ein Stachel für mich.

Ich sehe auf den Gekreuzigten auf meinem Schreibtisch. Es ist ein schweres Handkreuz aus Bronze, das am Anfang schwer und kalt in der Hand liegt. Nach einer Weile nimmt es die Wärme meines Körpers auf und fühlt sich warm an.

Ich sehe auf den Gekreuzigten. Nur ein Tuch um die Lenden ist ihm geblieben. Auch uns wird am Ende nichts bleiben von all unserem Besitz. Das ermutigt mich, meine Hände zu öffnen. Und abzugeben, wovon ich abgeben kann, sei es Geld oder Zeit oder Aufmerksamkeit. Dass wir die Hände öffnen und abgeben, wovon wir mehr haben, als wir brauchen, dazu segne und ermutige uns Gott.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen  

Pfarrerin Dorothee Tröger

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