Predigt vom 12. September 2021

Predigt

Pfarrerin Ulla Knauer

15. Sonntag nach Trinitatis (12.09.2021)

Predigt zu Lukas 17, 5-6

 

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde!

Unser Predigttext steht heute bei Lukas 17, 5-6:

Und die Apostel sprachen zu dem Herrn: Stärke uns den Glauben! 6 Der Herr aber sprach: Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiß dich aus und verpflanze dich ins Meer!, und er würde euch gehorsam sein.

Nachvollziehbare Bitte: „Stärke uns / mir den Glauben!“

Die Jünger kommen zu Jesus und bitten ihn: „Stärke uns den Glauben!“ Lukas, der Evangelist nennt die Jünger mit ihrer Funktion, „Apostel“. Sie haben also einen großen Auftrag, eine Aufgabe, die sie erfüllen wollen. Nachvollziehbar, dass sie zweifelten, ob sie stark und fähig genug für ihre Aufgaben sind. Mir kommt das Wort von Petrus in den Sinn bei seiner Berufung, „Herr, ich bin doch nur ein Mensch!“ Sie sind mit Jesus auf dem Weg, hören seine Worte, sehen seine Wunder, sehen sein Wirken bei den Menschen und hören: Ihr sollt mir nachfolgen. Wie soll das gehen? – fragen sie sich. Wir sind doch nur Menschen, die meisten von uns einfache Fischer.

Lukas platziert diese kurze Überlieferung dieser Bitte inmitten einer Anreihung von Gleichnissen und ethischen Forderungen: Das Gesetz soll man weiter wertschätzen, dem Mammon nicht dienen, sich vor Reichtum und Gier hüten, einander mehrmals vergeben, nicht angeben, sondern dienen, und Dankbarkeit zeigen. Und, und, und.

Und mitten in dieser Sammlung der Botschaft Jesu, die Unterbrechung: „Stärke uns den Glauben!“

Als würden die Jünger ein Stoppzeichen hochhalten, oder um eine Pause bitten. Stopp mal, wie kann man das denn schaffen? Kannst Du uns etwas geben?

Kontrastprogramm Jesu

Jesu Antwort ist nicht die Erwartete: „Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiß dich aus und verpflanze dich ans Meer!, und er würde euch gehorsam sein.“

Jesus kehrt die Bitte der Jünger ins Gegenteil. Sie haben das Gefühl, dass sie mehr brauchen. Größeren Glauben, mehr Fähigkeiten, Macht. Jesu Antwort: Die Größe eines Senfkornes würde bereits genügen. Es geht nicht darum, wie viel ihr glaubt, sondern ob ihr glaubt und Vertrauen habt.

Und dann die Provokation: Mit diesem Senfkornglauben könnte einem Maulbeerbaum befohlen werden, sich selbst zu verpflanzen. Ein Bild der Unmöglichkeit. Der Maulbeerbaum war in Israel bekannt dafür, dass er so ziemlich die stärksten Wurzeln hat im Vergleich zu anderen Pflanzen und Bäume. Wer damals versucht hatte, einen solchen Baum zu fällen und anschließend das Wurzelwerk zu entfernen, um Ackerland zu gewinnen, wusste das. Fast ein Ding der Unmöglichkeit. Der Aufwand lohnt sich nicht.

Interessanterweise finden wir in der Bibel keine Antwort, keine Diskussion, weder Zustimmung noch Ablehnung, noch Verwunderung. Nur die Aussage Jesu.

Sie war wohl so markant, dass sich ihr Wortlaut erhalten hat, und – wie andere Sprüche – in Sammlungen wiedergefunden wurde, die die Evangelisten später für ihre Werke als Vorlage verwendeten.

3- Teilung, Bitte – Entlastung (Senfkorn) – Macht (Kontrast)

Doch was tun wir jetzt mit diesem starken Wort Jesu? Kann man es ernst nehmen? Wie soll man es ernst nehmen? Wir sind doch keine Zauberer, nur weil wir glauben? Wie sollen wir das verstehen?

Schaut man sich Fragen und Antwort an, kann man 3 Aspekte entdecken, zuerst steht die Frage, dann ein Spruch der Entlastung – das Senfkorn genügt, und drittens der Kontrast: welche Macht verbindet sich mit dem Glauben.

 

Senfkorn-Kärtchen Bild entfernt.

Sie haben am Eingang ein Kärtchen bekommen, mit einem aufgeklebten Senfkorn. Sie können es gerne mal in die Hand nehmen und fühlen, wie klein es ist. Sehr klein, aber sichtbar und fühlbar.

Das genügt schon! Wie entlastend. Gerade für Situationen, in denen es mir nicht gut geht, wo alles über mich zusammenbricht. Wo mich eine schlimme Nachricht ereilt, eine schwere Diagnose, Bilder der Zerstörung über die Medien. Dann reicht dieser Funken, dieser Senfkornglaube, um sich an Gott wenden zu können.

Wer hat die Macht? Woher kommt die Macht?

Kommen wir zum schwierigen, zum dritten Teil. Der Glaube habe die Macht, Bäume zu versetzen. Was meint Jesus damit? Wörtlich ist es ja schwer zu verstehen. Da wird auch nicht klappen, wenn wir jetzt vor die Tür gehen würden, und die nächste Kastanie, Linde oder Kiefer suchen und warten ob der Baum zu laufen oder zu fliegen anfängt.

Doch wie kann man den Vers dann verstehen?

Wie zeigt sich Glaube im Neuen Testament? Glaube kommt meist im Zusammenhang mit Vertrauen vor. Prägend sind hier die Heilungsszenen. Oft hören wir den Satz „Dein Glaube hat dir geholfen“, also dein Vertrauen. Menschen wenden sich an Gott und an Christus im Vertrauen auf seine Macht. Für einen Moment hinterfragen sie nicht, zweifeln nicht, wollen nicht alles erklärt bekommen. Pures Vertrauen. Du kannst mir helfen.

Der Senfkornglaube wäre dann also das Vertrauen in die Fähigkeiten Gottes. Dir Gott, traue ich die Allmacht zu. Mit deiner Macht hast Du die Welt geschaffen. Du bist Herr über alles. Wenn du es wolltest, würde ein Baum seinen Ort wechseln. Wenn…!

Zu diesem Vertrauen gehört, das Wann und Ob Gott zu überlassen, und nicht ein Wunder zu bestellen.

Nicht Quantität, sondern Qualität!

Für die Jünger damals könnte das bedeutet haben: Euer Glaube ist zwar noch am Wachsen. Und manchmal seid ihr verzagt. Aber der kleine Glaube genügt. Es geht nicht um wie viel, und wie toll. Es geht darum, überhaupt zu glauben, das Vertrauen zu wagen.

Beispiele

Zum Schluss drei kurze Beispiele, wo wir so ein Vertrauen finden und nicht nach Quantität messen.

BSP 1, Kinderglaube

Zunächst die Kinder. Sie sind selbstverständlich vollständige Gemeindeglieder unserer Kirche. Und ich könnte keinem Kind den Glauben absprechen, auch wenn er oder sie sich auf seine Weise herantastet. Wenn die Augen leuchten, wenn sie die Glocken hören. Wenn sie mit Begeisterung erste Lieder singen und von Gott erzählen. Wenn sie ein eigenes Gebet sprechen. Wenn sie die Kinderbibel entdecken. Dann ist das ihr Glaube, ihr Vertrauen. Voll und ganz.

BSP 2, Konfirmandin mit geistiger Behinderung

Zweites Beispiel: Vor ungefähr 8 Jahren, habe ich in einem Konfirmandenkurs mitgearbeitet. An der Konfirmation wurde ein Mädchen mitkonfirmiert, die eine geistige Behinderung hatte. Die Gemeinde hat gemeinsam mit den Eltern und der Sonderschule ein kleines Programm für sie erarbeitet, Themen mit denen sie sich auf ihre Art auseinandersetzen konnte. Regelmäßig war sie in der Konfirmandengruppe zu Besuch.

Die Frage, ob sie genug glauben oder verstehen würde für eine Konfirmation kam überhaupt nicht auf. Sie konnte auf ihre Art klar kommunizieren, wie sehr sie sich für Jesus und die Kirche interessierte und dabei sein wollte. Und das konnte sie.

BSP 3, Paul Gerhardt - Legende

Zuletzt eine Legende, die sich um Paul Gerhardt, den berühmten Kirchenlieder-Komponisten rangt. Ob es sich so zugetragen hat, bleibt ungewiss, aber sie hat sich gehalten:

Als Paul Gerhardt, von seinem Predigtamt enthoben, im Jahre 1666 Berlin verlassen musste, kehrte er, ohne zu wissen wohin, in einem Gasthaus ein. Seine Gattin wurde vom Kummer so überwältigt, dass sie sich nicht fassen konnte. Paul Gerhardt redete ihr zu und sagte ihr den Bibelspruch:

„Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird's wohl machen.“ (Psalm 37,5).

Dann ging er in den Garten des Hauses und dichtete das bekannte Lied „Befiel du deine Wege...“ Als er es eben seiner bekümmerten Frau vorgelesen hatte, traten zwei Abgeordnete des Herzogs Christian zu Merseburg ins Zimmer und kamen mit Gerhardt ins Gespräch. Sie erzählten ihm den Zweck ihrer Reise. Sie wollten nämlich nach Berlin gehen, um einen gewissen abgesetzten Pastor, namens Gerhardt nach Merseburg einzuladen. Was mögen Paul Gerhardt und seine Frau bei dieser Nachricht empfunden haben? Es traf doch genau ein, was Paul Gerhardt in seinem Lied sich und anderen ins Herz gesagt hatte: „Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn. Er wird's wohl machen.“ Von dem Herzog zu Merseburg bekam Gerhardt eine Pension. Dazu kam im Jahre 1669 das Archidiakonat, also die Stellvertretung des Bischofs, zu Lübben in der Niederlausitz.

Die Gewissheit, dass ein kleiner, zaghafter Glaube manchmal völlig ausreicht, und wir auf die Macht Gottes Vertrauen dürfen, unsere Wege ihm befehlen, das wünsche ich uns allen. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

 

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