Predigt vom 14. August 2022

Predigt zu 1. Mose 17 und 18 (in Auswahl)

 

Wissen Sie das noch: Wann Sie zum letzten Mal gelacht haben? Also nicht so das übliche freundliche Lächeln. Sondern richtig von innen heraus.
Neulich habe ich gelacht. Da habe ich am Telefon ein Beerdigungsgespräch vereinbart. Die Frau, die gestorben ist, war schon lang sehr krank, deshalb war bei dem Sohn eher Erleichterung da als Trauer. Wir haben vereinbart, dass wir uns nächste Woche bei ihm im Geschäft treffen. Ich habe ihn nach seiner Privatadresse gefragt. Er hat zurückgefragt:  „Wozu brauchen Sie die denn?“ Da habe ich ihn erklärt, dass wir den Angehörigen der Verstorbenen immer im November eine Karte schicken und sie zum Gottesdienst am Ewigkeitssonntag einladen. „Ach so“, hat er gesagt. „Dann ist es recht. Nicht dass ich jetzt alle zwei Wochen das Kichenblättla kriege.“ Da habe ich lachen müssen, weil das so frei von der Leber weg gesprochen war. Und er hat auch gelacht.

Lachen ist eine feine Sache. Das richtige Lachen, das einem einfach so auskommt. Wenn man staunt zum Beispiel. Ich weiß noch, als ich ein Kind war. Da habe ich mit meinen Eltern ab und zu meine Großeltern besucht. Die hatten damals kein Telefon, wir auch nicht – das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Also sind wir unangekündigt gekommen. Und wenn wir da vor der Tür gestanden sind und mein Opa aufgemacht hat, dann hat er immer richtig gelacht. Da war Staunen in diesem Lachen. Und Freude. Um so ein Lachen geht es heute. Um das Lachen von Abraham und Sara.

Mit den Geschichten von Abraham und Sara sind wir im Bereich der Erzelternerzählungen. Die Erzeltern, das sind die,von denen man abstammt. Die Begründer einer Dynastie. Wir wissen das eigentlich nicht, wer unsere Erzeltern sind. Wir kennen unsere Eltern, Großeltern, vielleicht auch Urgroßeltern. Menschen, die Ahnenforschung treiben, die gelangen auch weiter zurück zu den Vorfahren. Aber eigentlich verzweigt sich das immer mehr. An so was wie Erzeltern kommen wir nicht ran.

In der Bibel ist es anders, weil die Bibel eben keine Realgeschichte ist, sondern aus Worten und Erzählungen besteht, die in einen bestimmten Zusammenhang gebracht worden sind. Einen Zusammenhang, der theologisch äußerst durchdacht ist. Der Bibel geht es auch nicht, oder zumindest nicht in erster Linie, um Daten und Informationen. Der Bibel geht es um Menschen und um Gott, um die Beziehung zwischen Menschen untereinander und mit Gott. In den Erzelterngeschichten geht es um eine Familie. Die Familie Abrahams und Saras. Und was da von dieser Familie erzählt wird, das sind nicht Informationen. In den Erzählungen von dieser einen Familie sind tiefe Emotionen verarbeitet. Gefühle, die wir alle kennen. Freude und Trauer, Liebe und Hass. Betrug, Angst, Glück. Die kleinen Dramen des Alltags. Die großen Dramen der Politik. Das kommt alles darin vor.

Ich weiß noch, vor vielen Jahren in meinem Vikariat, da hat mich mein Lehrpfarrer mit in einen Bibelkreis genommen. Der hat in einem Dorf stattgefunden, wo es keine Kirche gibt. Wir waren in einem privaten Wohnzimmerund es waren so zehn ältere Frauen da. Thema waren in dem Jahr die Erzelternerzählungen. Diese alten Geschichten, die man vor allem aus dem Kindergottesdienst kennt – was soll da schon rauskommen, hab ich mir in meiner jugendlichen Überheblichkeit gedacht. Und es ist Unglaubliches rausgekommen. Die Frauen auf dem Dorf, die haben das nämlich gut gekannt, wovon in den Geschichten erzählt wird. Dürre, Hungersnot. Rivalität unter Geschwistern. Dass Eltern mitreden bei der Auswahl der Ehemänner. Dass man einen nicht heiraten darf, in den man verliebt ist. Dass man einen heiratet, in den man gar nicht verliebt ist. Die Frauen in dem Dorf hatten alle ihre Erfahrungen. Und sie haben sie in den Erzelternerzählungen wiedergefunden. Es waren wahnsinnig intensive Abende dort in dem Dorf in dem Wohnzimmer. Deutlicher als in meinem gesamten Studium habe ich gemerkt, welche Kraft die Bibel hat. Gerade die alten Erzählungen.

Und jetzt schauen wir in diese Erzelternerzählungen. Die beginnen damit, dass Gott Abraham und Sara losschickt in das Land Kanaan. Abraham, heißt es in der Bibel, war damals 75 Jahre, Sara zehn Jahre jünger, 65. Rüstige Rentner würde man heute sagen. Und sie gehen in ein neues Land. Sie erleben dies und das. Und wie es so ist: Die Zeit vergeht schneller, als man denkt. Dann ist Abraham 99 Jahre alt und Sara 89. Da verspricht Gott Abraham: Sara soll ein Kind bekommen.

Da fiel Abraham auf sein Angesicht und lachte und sprach in seinem Herzen:
Soll mir mit hundert Jahren ein Kind geboren werden,
und soll Sara, neunzig Jahre alt, gebären?
Da sprach Gott: …
Sara, deine Frau, wird dir einen Sohn gebären,
den sollst du Isaak nennen,
und ich will meinen Bund mit ihm aufrichten.
(1. Mose 17,17+19)

Also: Gott verspricht Abraham einen Sohn und Abraham fängt an zu lachen.
Das Gleiche passiert dann ein Kapitel später nochmal mit Sara. Da kommt Besuch zu Abraham und Sara, drei Männer heißt es, aber es ist klar, dass hinter diesen drei Männern Gott steckt. Und Abraham und Sara machen, was man im Orient bis heute so macht, wenn Besuch da ist: Es wird Essen zubereitet. Während die Männer außen essen, bleibt Sara im Zelt.

 

Da sprachen sie zu Abraham: Wo ist Sara, deine Frau?

Er antwortete: Drinnen im Zelt.
Da sprach er
(also der Besuch):
Ich will wieder zu dir kommen übers Jahr;
siehe, dann soll Sara, deine Frau, einen Sohn haben.
Das hörte Sara hinter ihm, hinter der Tür des Zeltes.
Und sie waren beide, Abraham und Sara, alt und hochbetagt,
sodass es Sara nicht mehr ging nach der Frauen Weise.
Darum lachte sie bei sich selbst und sprach:
Nun, da ich alt bin, soll ich noch Liebeslust erfahren,
und auch mein Herr ist alt!
Da sprach der Herr zu Abraham:
Warum lacht Sara und spricht: Sollte ich wirklich noch gebären, nun, da ich alt bin?
Sollte dem Herrn etwas unmöglich sein?
Um diese Zeit will ich wieder zu dir kommen übers Jahr;
dann soll Sara einen Sohn haben.
Da stritt Sara es ab und sprach:
Ich habe nicht gelacht –,
denn sie fürchtete sich.
Aber er sprach: Es ist nicht so, du hast gelacht.

(1. Mose 18,9-15)

Also nochmal: Diese Erzelternerzählung will uns keine Informationen geben. Sie will uns mit hineinnehmen in diese Erfahrungen.

Haben Sie das schon mal erlebt, dass etwas völlig Unwahrscheinliches, etwas das gar nicht für möglich gehalten wird, eintritt? Ich schon. Schon oft. Vor kurzem zum Beispiel habe ich eine Frau getroffen, so um die 60, die hab ich nur vom Sehen gekannt. Mein Mann kennt sie besser. Wir haben uns unterhalten und sie hat erzählt, dass sie vor zwei Jahren im Krankenhaus war und es ist Spitz auf Knopf gestanden. Alle haben gedacht, dass sie stirbt. Die Ärzte, ihre Angehörigen. Sie auch. Und dann hat sie doch überlebt. Sie hat zu Gott gesagt: Wenn du mich da durchführst, dann ändere ich mein Leben. Und das hat sie dann auch gemacht. Sie hat über eine Internetagentur einen Partner gefunden, hat eine Kunstschule aufgemacht. Und als mein Mann und ich sie getroffen haben, hat sie richtig von innen raus gestrahlt.

Diese Erfahrung, dass in einer ausweglos scheinenden Situation doch eine Tür aufgeht, dass Totgeglaubte ins Leben finden, dass ältere Leute noch ein Kind bekommen – vielleicht nicht mit 90 und 100 Jahren, aber doch aus der Zeit der normalen Elternschaft raus – oder dass welche ein Enkelkind bekommen, was sie gar nicht mehr geglaubt haben – um die geht es in der Geschichte von Abraham und Sara, dem Anfang der Erzelterngeschichte. Am Anfang steht das Wunder. Das was man nicht für möglich hält. Es wird möglich, es wird wahr, weil Gott eingreift. Und die Menschen können nur staunen und lachen.

Abraham und Sara bekommen einen Sohn. Und sie nennen ihn Isaak. Auf Hebräisch: Jizchak. Das heißt: Er lacht. Das Kind des Lachens.

Und jetzt zum Schluss noch eine kleine sprachliche Beobachtung. Das alte Hebräisch, das kennt nicht wie unsere Sprache Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Im alten Hebräisch gibt es nur zwei Zeitformen: abgeschlossene Handlungen und unabgeschlossene. In der Geschichte von Sara zum Beispiel sagt Gott: Du hast gelacht. Das ist eine abgeschlossene Handlung. Sara hat gelacht. Und jetzt lacht sie nicht mehr. Jizchak aber: das ist die unabgeschlossene Zeitform. Das heißt: Er hat gelacht, er lacht, er wird lachen. Dieses Lachen dauert noch an.
In dieser Zeitform, sind viele biblische Namen mit J. Jaakov, Jakob, Jisrael, Israel, und auch Jeschúa, Jesus. Jeschúa heißt: Er hat gerettet, er rettet, er wird retten. Es ist ein großes unabgeschlossenes Handeln, das die Existenz von Jesus bestimmt. Und Isaak, Jizchak: Er hat gelacht, er lacht, er wird lachen. Ein andauerndes Lachen dringt durch die Zeiten hindurch von den Erzeltern bis zu uns. Ein staunendes Lachen, ein frohes Lachen über das unglaubliche Handeln Gottes.
Amen.

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